Wenn wir mit Menschen im Gespräch sind, die uns am Herzen liegen, verabschieden wir uns schon mal mit den Worten: „Pass auf dich auf!“ Auch wenn dieser Satz oft nicht bewusst ausgesprochen wird, sondern eher eine Floskel ist, steckt dahinter doch der Wunsch, dass es dem Anderen gut gehen möge und ihm nichts Schlimmes zustößt. Denn wenn der Freund oder die Freundin leidet, leiden wir automatisch mit. Und das Zuschauen müssen, wie der Andere leidet, die eigene Hilflosigkeit im Angesicht der Not des Gegenübers ist oft schwieriger auszuhalten als selber betroffen zu sein.
Eine noch viel deutlichere Aufforderung, auf uns aufzupassen, finden wir in der Bibel und sie liefert auch gleich die Begründung mit, warum das Aufpassen so wichtig ist. In Sprüche 4, 23 heißt es: „Mehr als alles behüte dein Herz, denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens.“
Mit „Herz“ ist hier nicht das Körperorgan gemeint, sondern unsere Seele, unser innerer Mensch, die Quelle unserer Identität, unseres Selbst-bewusst-seins. Was wir in unserem Herzen glauben, wovon wir in unserem Herzen überzeugt sind, bestimmt unsere Sicht auf uns selbst und auf unser Umfeld. Und damit bestimmt das Herz im Wesentlichen, ob wir ein glückliches und zufriedenes Leben führen oder ob wir unzufrieden sind und permanent auf der Jagd nach dem großen Glück.
Ein großer Teil dessen, was sich in unserem Herzen befindet, ist uns häufig gar nicht bewusst, denn es wurde in sehr jungen Jahren durch die Prägung im Elternhaus und im sozialen Umfeld hineingesät. Jede Botschaft – verbal oder nonverbal – prägt sich tief in das Herz des Kindes ein und es kann dabei nicht unterscheiden, ob die Botschaft der Wahrheit entspricht oder nicht. Kinder nehmen erst einmal alles als „Wahrheit“ an. Das können Aussagen sein wie z.B. „Aus dir wird nie was“, „Du lernst es nie“ oder „Stell dich nicht so an“. Aber auch nonverbale Botschaften wie z.B. Erziehung durch Liebesentzug nach dem Motto: „Wenn du dich nicht so verhältst, wie ich es will, habe ich dich nicht mehr lieb“ hinterlassen ein tiefes Gefühl von Wertlosigkeit, Falsch-sein und Unsicherheit. Wir lernen, dass wir so, wie wir sind, nicht okay sind, nicht genügen.
Bis wir erwachsen sind, haben wir diese Botschaften erfolgreich ins Unterbewusstsein verdrängt und Strategien entwickelt, mit den inneren Verletzungen umzugehen. Wir schützen unser Herz, indem wir es mit dicken Schutzmauern umgeben und suchen an anderen Stellen nach der Wertschätzung, Liebe und Anerkennung, die wir brauchen. Wir kämpfen und strengen uns an, um uns die Liebe zu verdienen. Und haben damit durchaus den einen oder anderen und manchmal auch ganz viel Erfolg.
Aber tief drinnen in unserem Herzen sitzt immer noch das Gefühl von Wertlosigkeit, Falsch-sein und Unsicherheit und wir sind nie sicher, ob die erlebte Anerkennung unserer Leistung oder tatsächlich uns als Person gilt. Die Folge ist, dass wir in unserem Leben trotz Erfolgen und Anerkennung keinen inneren Frieden finden und unser Leben nicht wirklich genießen können. Stattdessen jagen wir von einem Erfolg zum nächsten, so wie der sprichwörtliche Esel vergeblich hinter der Karotte herläuft, und brechen irgendwann zusammen oder brennen aus. Aber Leben im Sinne von Lebendigkeit, Lebensfreude, Zufriedenheit, Glück erfahren wir nicht.
Die Aussage: „Mehr als alles behüte dein Herz“ fordert uns auf, ehrliche Bilanz zu ziehen und zu erforschen, welche Botschaften wir verinnerlicht haben. Wo uns diese Botschaften daran hindern, Lebensfreude und Lebendigkeit zu erfahren, macht es Sinn aufzuräumen – vielleicht auch mit Hilfe von außen – und die ungesunden Botschaften durch gesündere und aufbauende Botschaften zu ersetzen.
Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, bedeutet „Behüte dein Herz“ im nächsten Schritt, wachsam zu bleiben, welche Botschaften wir in Zukunft in unser Herz hineinlassen wollen und welche wir ablehnen. Wie fast alles im Leben ist auch dies ein Prozess. Wenn wir jedoch einmal ein Bewusstsein in uns geschaffen haben, welche Gedanken und Botschaften uns guttun und welche nicht, entlarven wir immer schneller die Botschaften, die unser Herz wieder vergiften wollen. Die Folge ist eine Herzenshaltung und damit ein Leben, das uns inneren Frieden, innere Ruhe, Freude und Glück beschert – und das auch in schwierigen Umständen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Herz behüten und es als Quelle von Lebensfreude und Lebendigkeit erfahren können 😊!
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