Wenn ich mit Menschen spreche, Diskussionen im Fernsehen anhöre oder Interviews lese, fällt mir auf, dass immer „die Anderen“ schuld sind. Selbstreflektion oder das Eingeständnis eigener Fehler oder Unzulänglichkeiten sind außerordentlich selten geworden. Es ist so viel leichter, die Schuld auf andere zu schieben und von ihnen zu erwarten, dass sie sich ändern. Und wenn ich mit dem Finger auf die anderen zeige, hat das den Vorteil, dass ich selber nichts ändern muss.
Aber – ist das wirklich ein Vorteil?
Wenn ich immer nur die Schuld bei anderen suche, kann ich zwar meinem Ärger darüber Ausdruck verleihen, dass die Situation nicht so läuft, wie ich sie mir vorstelle, ich meinen Willen nicht durchsetzen kann und meine Bedürfnisse nicht gestillt werden. Dennoch bin ich der Veränderungsbereitschaft meines Gegenübers hilflos und ohnmächtig ausgeliefert. Ich kann nichts dazu tun, dass der andere sich verändert – höchstens die Hoffnung nicht aufgeben, dass ich irgendwann doch noch bekomme, was ich will. Ich kann niemanden zur Veränderung zwingen. Je mehr Druck ich ausübe, desto mehr Gegendruck erzeuge ich. Die Folge ist, dass es irgendwann knallt oder der andere geht. Aber damit habe ich noch immer nicht, was ich mir wünsche.
Wenn ich die Schuld bei anderen suche, bleibe ich zwangsläufig in der Opferrolle, die mit der Zeit mehr und mehr zu Selbstmitleid führt. Manche Menschen jammern und klagen laut, wie schlecht es ihnen mit der Situation geht. Das führt – zumindest kurzfristig – zu Aufmerksamkeit und Zuwendung, die der leidenden Seele natürlich gut tut und so das Verharren in der Opferrolle noch verstärkt. Ein ungesunder Teufelskreis.
Andere Menschen werden bitter und schimpfen permanent auf alles und jeden. Sie verwandeln sich im Laufe der Zeit immer mehr zu ungenießbareren Zeitgenossen, mit denen irgendwann niemand mehr etwas zu tun haben möchte. Sie vereinsamen mehr und mehr und verstehen nicht, warum sich alle abwenden. Das wiederum führt wieder zu noch mehr Vorwürfen und Schimpfen. Auch das ein furchtbarer Teufelskreis.
Der einzige Mensch, den ich ändern kann, bin ich selbst!
Dafür bedarf es einer guten Selbstreflektion und einer ehrlichen Antwort auf die folgenden Fragen:
Was hat die Situation, unter der ich so leide, mit mir selbst zu tun?
Warum stecke ich da drin?
Was kann ICH verändern, damit es mir mit der Situation oder der Person besser geht?
Welche meiner Bedürfnisse werden möglicherweise nicht gestillt?
Wovor habe ich unbewusst Angst?
Was möchte ich um jeden Preis verhindern?
Wo triggert das Erlebte ungute Erinnerungen an und ich reagiere auf die Erinnerungen?
Oder wo muss ich vielleicht eine Veränderung vornehmen, um aus der Situation ganz herauszugehen?
In dem Moment, in dem ich meine Aufmerksamkeit auf mich selber richte und die Gründe für meine Not mit dem Erlebten erkenne, habe ich die Chance einer Neubewertung und damit einer Veränderung. Ich kann zuordnen, was mich triggert. Ich kann eigene Glaubenssätze oder vielleicht auch Vorurteile erkennen und auflösen. Ich kann meine Ängste oder Bedürfnisse benennen und nach Lösungen suchen. Ich werde aktiv. Ich fange an, mich zu bewegen und damit verändere ich zwar vielleicht nicht die Situation als solche, aber indem ich mich bewege, kommt auch die Situation in Bewegung. Denken Sie an ein Mobile: Wenn Sie ein Teil in Schwingung versetzen, kommt das ganze Mobile in Bewegung.
Nichts ändert sich, bis man sich selbst verändert und plötzlich verändert sich alles.
Das ist eine Erfahrung, die ich selber immer wieder gemacht habe, und die auch meine Klienten machen. Wenn ich mich selber verändere – meine Blickrichtung, meine Bewertung einer Situation, meine Haltung, meine Strategien, … - dann verändert sich plötzlich um mich herum alles. Selbst wenn eine Situation im Außen unverändert bleibt, ändert sich doch meine Perspektive darauf und damit ändert sich für mich eben doch alles.
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