top of page
  • info2874313

Was ist deine Realität?

Hast du schon mal eine VR-Brille (VR steht für Virtual Reality) aufgesetzt und warst plötzlich in einem ganz anderen Film? Deine Realität wird plötzlich von dem geprägt, was die computersimulierte Wirklichkeit dir vorgaukelt. Und automatisch reagierst du auf die neue Wirklichkeit. Zum Beispiel balancierst du plötzlich ganz vorsichtig in schwindelerregender Höhe über einen Balken und hast Schweißausbrüche aus Angst zu fallen, während du tatsächlich in deinem Zimmer fest und sicher auf einem ebenen Boden stehst.


Alle Personen um dich herum, die diese Brille nicht aufhaben und deshalb deine veränderte Realität nicht mitbekommen, sondern in der „normalen“ Realität des Alltags unterwegs sind, werden sehr verwundert reagieren über deine plötzlich in ihren Augen völlig unpassenden Reaktionen. Vielleicht lachen sie dich aus, vielleicht lehnen sie dich ab, gehen dir aus dem Weg oder denken schlichtweg: „Was hat der/die denn für einen Knall?“


Jetzt sind VR-Brillen natürlich für den einen oder anderen einfach ein Freizeitspaß. Oder in der Verhaltenstherapie werden sie zunehmend eingesetzt, um Angststörungen zu behandeln. Medizinstudenten können auf diese Weise üben zu operieren, ohne Menschenleben zu gefährden. Und in allen diesen Fällen ist es ein vorübergehender Wechsel in eine andere Realität und danach kehre ich in die „normale“ Alltagsrealität zurück.


Jeder Mensch hat allerdings auch eine innere Realität, eine innere Wirklichkeit oder Wahrheit, die sich durch unsere Prägung in der Kindheit entwickelt und Grundlage unserer Verhaltensweisen wird. Da jeder Mensch eine andere Prägung erlebt hat, ist entsprechend auch jede innere Realität unterschiedlich. Was für mich selbstverständlich ist, muss es für einen anderen deshalb überhaupt nicht sein. Um das für mich vielleicht merkwürdige Verhalten des anderen zu verstehen, muss ich also zuerst einen Blick auf seine innere Realität werfen. Denn erst, wenn ich die Realität meines Gegenübers kenne, kann ich auch Verständnis dafür entwickeln, warum sich die Person so verhält, wie sie sich verhält.


Eine Person, die z.B. einen schweren Autounfall überlebt hat, wird vielleicht jedes Mal Schweißausbrüche bekommen, wenn sie in ein Auto steigen muss. Jemand, der dagegen noch nie einen Unfall hatte, denkt oder sagt möglicherweise: „Stell dich doch nicht so an. Das ist doch nur eine kurze Strecke.“ Jeder reagiert aus seiner eigenen Realität und verletzt oder verurteilt dadurch unter Umständen sein Gegenüber, ohne dies überhaupt zu bemerken.


Das gleiche gilt für Prägungen in der Kindheit. Kinder, die immer nur gehört haben, dass sie nichts taugen, blöd sind oder anderweitige Ablehnung erfahren haben, versuchen vielleicht ihr Leben lang, durch ihre Leistung und Erfolge zu beweisen, dass sie doch etwas taugen. Und obwohl sie in ihrem Leben dann vielleicht tatsächlich erfolgreich werden, bleiben sie doch in ihrer inneren Realität der Versager. Sie können ihre Leistung selber gar nicht erkennen und wertschätzen, egal wie viel Anerkennung sie von außen erhalten. Und weil sie die äußere Wahrheit nicht erkennen können, werden sie zum Außenseiter, zum Workaholic, zum Nerd… und erfahren wieder Ablehnung, Verurteilung oder Ausgrenzung.


Für gute Beziehungen und vertrauensvolles Miteinander ist das verständlicherweise äußerst kontraproduktiv. Denn wenn ich mich nicht gesehen fühle, ziehe ich mich innerlich immer mehr zurück und offenbare zunehmend weniger von meinem Innenleben. Das hat oberflächlichere Begegnungen zur Folge, wachsende Einsamkeit, irgendwann vielleicht auch Burnout oder Depression…


Ich möchte dich einladen, einerseits deine eigene innere Realität mal genauer zu beleuchten und dich zu fragen, ob Schwierigkeiten und Verletzungen im Heute möglicherweise etwas mit alten Prägungen zu tun haben.


Andererseits lade ich dich ein, bevor du das nächste Mal abfällig oder genervt über eine andere Person denkst oder reagierst, dir die Frage zu stellen, warum die andere Person so reagiert. Vielleicht kann sich daraus ja ein Gespräch ergeben und neues Verständnis und damit auch Ermutigung füreinander wachsen. Denn für jeden Ansatz zur Veränderung und zur Vertiefung einer Beziehung ist die Voraussetzung, dass sie jeder der Beteiligten gesehen und ernst genommen fühlt.


Leider sind wir heute viel zu schnell dabei, uns gegenseitig zu verurteilen, übereinander zu schimpfen oder zu lästern und das Fremde abzulehnen, statt aufeinander zuzugehen und uns gegenseitig zu unterstützen und zu stärken.


In Philipper 2, 3-4 heißt es: „…in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“ Und in Matthäus 7, 1: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“


Unsere Welt wäre ein ganzes Stück lebenswerter, wenn wir uns daran orientieren würden…


1 Ansicht0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page