Vorsicht vor vorschnellen Urteilen!
- info2874313
- 5. Juni
- 5 Min. Lesezeit

Wir sind oft recht schnell darin, über andere Menschen zu urteilen. Wir sehen etwas, wir hören etwas und zack – das Urteil ist gefällt: „Wie kann man nur so blöd sein!“ oder „Was für ein egoistischer Mistkerl!“ oder „Wie ist die denn angezogen?“
Wir nehmen uns das Recht heraus, über andere Menschen ein Urteil zu fällen, ohne ihnen zuzuhören und ihre Beweggründe oder ihre Situation kennenzulernen. Automatisch gehen wir von unseren eigenen Überzeugungen und Haltungen aus und messen die anderen an unserer Perspektive. Aber vielleicht war die Person gar nicht so blöd, sondern ist von einer Vertrauensperson übel betrogen worden und braucht jetzt eigentlich unseren Trost statt Vorwürfe. Und vielleicht hat der vermeintlich egoistische Mistkerl ganz lange geschwiegen und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Und jetzt hat er sich endlich getraut, eine Grenze zu ziehen und hat dabei keine Rücksicht mehr genommen. Und die Frau, über deren Kleidung wir die Nase rümpfen, hat vielleicht das Beste angezogen, was sie besitzt, und schämt sich innerlich möglicherweise dafür, dass sie nichts Besseres besitzt.
Und vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass wir oft erstmal das Negative erwarten und deshalb automatisch auch erstmal von negativen Absichten des anderen ausgehen. Dem Kind, das selbstvergessen im Garten spielt und das Rufen der Mutter gar nicht wahrnimmt, wird sofort unterstellt, dass es trotzig ist und nur die Erwachsenen ärgern will. Dem Schüler, der sich wirklich Mühe gibt, es aber einfach nicht besser hinbekommt, wird unterstellt, dass er sich ja nur nicht genug anstrengt, weil er keine Lust hat. Oder der Freundin, die im Stau steckt und ihr Handy zu Hause vergessen hat (und die sich deshalb schlecht fühlt, weil sie nicht Bescheid geben kann), wird Ignoranz und Gleichgültigkeit unterstellt und dass der Wartende ihr nicht wichtig genug ist.
Sicher fallen Ihnen hier noch ganz andere Beispiele ein. Den Israeliten ging es genauso: Nachdem das Land Kanaan eingenommen worden war, durften die Stämme, die ihr Land östlich des Jordans bereits erhalten hatten, zu ihren Familien zurückkehren. Bis dahin hatten alle Stämme gemeinsam gekämpft und man sollte annehmen, dass sie gelernt hatten, sich gegenseitig zu vertrauen. Aber lesen Sie selbst:
Jos. 22:
Josua rief die Männer von Ruben, Gad und dem halben Stamm Manasse zu sich und sagte zu ihnen: »Ihr habt alles getan, was euch Mose, der Diener des HERRN, befohlen hat, und auch mir seid ihr immer gehorsam gewesen. Bis heute habt ihr eure Bruderstämme nicht im Stich gelassen. … Kehrt nun zurück in euer eigenes Land auf der anderen Seite des Jordan, das euch Mose, der Diener des HERRN, dort gegeben hat. Aber achtet darauf, dass ihr tut, was euch Mose im Auftrag des HERRN befohlen hat: Liebt den HERRN, euren Gott! Lebt so, wie es ihm gefällt, und richtet euch nach seinen Geboten! Haltet ihm die Treue und dient ihm aufrichtig und von ganzem Herzen!« Dann segnete Josua die Männer, und sie machten sich auf den Heimweg. …
Als die Männer das Westufer des Jordan, das noch im Land Kanaan lag, erreichten, bauten sie dort einen großen Altar. Bald schon verbreitete sich unter den übrigen Israeliten die Nachricht: »Die Stämme Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse haben sich doch tatsächlich unten im Jordantal einen Altar errichtet; er steht noch auf der Seite, die zu unserem Land gehört!«
Da versammelten sie sich in Silo, um gemeinsam gegen die Oststämme Krieg zu führen. Sie schickten Pinhas, den Sohn des Priesters Eleasar, ins Land Gilead zu den Stämmen Ruben, Gad und Manasse. Ihn begleiteten zehn Männer, aus jedem der zehn Stämme einer. Jeder von ihnen war das Oberhaupt einer ganzen Sippe.
In Gilead angekommen, stellten sie die Oststämme zur Rede: »Die ganze Gemeinde des HERRN fragt euch, warum ihr dem Gott Israels die Treue gebrochen habt. Warum wendet ihr euch vom HERRN ab? Was für einen Altar habt ihr euch da gebaut? Wollt ihr euch damit etwa gegen den HERRN auflehnen? Reicht es denn nicht, dass wir uns damals mit dem Götzen Peor schuldig gemacht haben? Der HERR hat unser Volk deswegen schon schwer bestraft, wir leiden bis heute noch unter den Folgen! Und was tut ihr? Ihr wendet euch schon wieder vom HERRN ab! Wenn ihr euch gegen ihn auflehnt, wird sich sein Zorn bald gegen die ganze Gemeinschaft der Israeliten richten! …
Die Männer von Ruben, Gad und dem halben Stamm Manasse antworteten den Abgesandten der Israeliten: »Gott, der HERR, ist der einzige und wahre Gott! Er weiß es, und Israel soll es auch wissen: Wir sind dem HERRN nicht untreu geworden und lehnen uns nicht gegen ihn auf! … Wir haben den Altar nicht gebaut, um uns vom HERRN abzuwenden. …
Aber es ist wahr: Wir haben es aus Sorge um unsere Nachkommen getan. Wir fürchteten, eure Kinder würden eines Tages unsere Kinder fragen: ›Was habt ihr Rubeniter und Gaditer denn schon mit dem HERRN, dem Gott Israels, zu schaffen? Schließlich hat er den Jordan als Grenze zwischen uns und euch gesetzt! Ihr habt keinen Anspruch darauf, dem HERRN zu dienen!‹
So würden eure Nachkommen unsere davon abbringen, den HERRN zu verehren. Darum haben wir diesen Altar gebaut. Nicht für Brandopfer oder Schlachtopfer, sondern als Denkmal für uns und für euch und die Generationen nach uns. Er soll uns daran erinnern, dem HERRN zu dienen und vor seinem Heiligtum unsere Opfer darzubringen: Brandopfer, Schlachtopfer und Friedensopfer. Dann können eure Nachkommen nicht zu unseren sagen: ›Ihr dürft dem HERRN nicht dienen.‹ Und wenn sie es eines Tages doch einmal behaupten, dann können unsere Kinder sagen: ›Seht euch diese Nachbildung vom Altar des HERRN an! Unsere Väter haben sie gemacht, nicht für Brand- oder Schlachtopfer, sondern um uns und euch daran zu erinnern, dass wir gemeinsam dem HERRN dienen sollen.‹
Misstrauen und negative Erwartungen auf beiden Seiten! Die zurückgebliebenen Stämme unterstellten den Oststämmen, dass sie von Gott abgefallen seien und rüsten zum Krieg – erstmal ohne überhaupt ein Gespräch zu suchen. Und das, obwohl Josua ganz eindeutig festgestellt hatte, dass sie bis dahin dem Herrn in allem gehorsam gewesen waren. Wie schnell war das vergessen!
Und die Oststämme unterstellten den Weststämmen, dass sie die Oststämme aufgrund ihrer Wohngebiete östlich des Jordans von der Anbetung und dem Segen Gottes ausschließen. Für beides gab es nicht den geringsten Anlass, aber das Misstrauen war sofort geweckt.
Geht es uns nicht oft genauso? Sind wir nicht auch schnell dabei, erstmal das Negative anzunehmen und dann entsprechend zu handeln? In vielen Situationen wäre es so viel besser, erst einmal das Gespräch zu suchen, die eigenen Gedanken anzusprechen und zu versuchen, den anderen in seinem Verhalten und seinen Entscheidungen zu verstehen. Vielleicht ergibt sich daraus eine ganz neue Perspektive, die beiden dienen kann, statt beide zu verletzen.
Was sind Ihre Erfahrungen dazu?
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